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Standortsteuerung durch Gemeinde

13.11.2008 Dr. Benjamin Wittwer, Juristischer Sekretär, Baudirekton Kanton Zürich

Die Städte und Gemeinden als Bewilligungsbehörden bei Baugesuchen von Mobilfunkanlagen sind oft in einer schwierigen Lage. Regelmässig bildet sich gegen solche Bauvorhaben in der Bevölkerung Widerstand.

Ist einmal ein Baugesuch für eine Mobilfunkanlage eingereicht, ist der Spielraum der Gemeinde gering (vgl. Artikel im Schweiz. Hauseigentümer Nr. 17. vom 1. Oktober 2008). Was viele nicht wissen: Eine Gemeinde hat gewisse planerische Möglichkeiten für eine Standortsteuerung von Mobilfunkanlagen, und die Mobilfunkbetreiber bieten Hand für eine Kooperation.

Beispiel Gemeinde H.

Die Bauverwaltung der Gemeinde H. ist nicht zu beneiden: Bei Baugesuchen für Mobilfunkanlagen wird sie regelrecht überhäuft mit Einsprachen, und eine Initiative aus der Bevölkerung verlangt ein weitgehendes Verbot von Mobilfunkanlagen in der Gemeinde. Beim emotionalen Thema Mobilfunkanlagen bleiben die Gemeindebehörden in H. aber zum guten Glück sachlich. Man hat gehört, dass das Bundesgericht für die Gemeinden Möglichkeiten aufgezeigt hat, mit planerischen Mitteln eine Standortsteuerung von Mobilfunkanlagen vorzunehmen. Statt nun populistisch Mobilfunkanlagen in der Nutzungsplanung fast gänzlich auszuschliessen - um dann letztlich vor den Gerichten abzublitzen -, erkundigt sich die Gemeinde über rechtlich zulässige und sinnvolle Möglichkeiten.

Mittel zur Steuerung der Mobilfunkanlagen-Standorte

Aufgrund der geltenden Rechtslage müssen die Gemeinden Mobilfunkanlagen in ihrem Siedlungsgebiet regelmässig bewilligen, wenn die baurechtlichen Vorschriften und die Strahlengrenzwerte eingehalten sind. Das Bundesgericht hat allerdings Möglichkeiten aufgezeigt, dass im Rahmen ihrer bau- und planungsrechtlichen Zuständigkeit eine Ge-meinde mit planerischen Mitteln die Standorte von Mobilfunkanlagen steuern kann: 
Baupolizeilich kann eine Gemeinde in ihrer Bau- und Zonenordnung etwa vorschreiben, dass auch innerhalb der Bauzone eine Interessenabwägung vorgenommen wird. Es sind die ortsplanerischen Interessen gegen die Interessen an einer guten Mobilfunkversorgung sowie den privaten Interessen der Mobilfunkbetreiber abzuwägen. Möglich ist auch eine entsprechende kantonale Regelung - der Kanton Aargau hat jüngst eine solche Gesetzesbestimmung in Kraft gesetzt. Eine Interessenabwägung wird regelmässig auch durch eine so genannte ästhetische Generalklausel nötig. Den berührten Interessen der Gesuchsteller werden dabei allerdings nur die ästhetischen Anliegen gegenübergestellt, es erfolgt keine umfassende Interessenabwägung.
In der Nutzungsplanung können Gebiete festgelegt werden, in denen Antennenanlagen grundsätzlich für unzulässig erklärt (so genannte Negativplanung), oder besonders ge-eignete Standorte als zulässig bestimmt (Positivplanung) werden. Bis zur Geltung der Nutzungsplanung kann eine Planungszone festgesetzt werden, wobei die untenstehenden Voraussetzungen zu beachten sind. Eine Positivplanung in dem Sinne, dass an den übrigen Orten Mobilfunkanlagen unzulässig sind, dürfte wohl nur ganz ausnahmsweise zulässig sein. In Frage kommt daher eher eine Negativplanung.

Rechtliche und politische Hürden sind hoch

Doch aufgepasst: Es besteht die Gefahr, dass eine Gemeinde vor dem Ziel der Negativplanung stürzt. Die Erfahrungen haben leider gezeigt, dass es bisher nur Beispiele von erfolglosen Planungen gibt: So etwa kommt eine Zürcher Seegemeinde mit ihrem Vorhaben nicht durch, den grössten Teil ihres Gebiets mit einem Mobilfunkanlagen-Verbot zu belegen; gleich ergeht es einer Luzerner Gemeinde. Eine generelle Höhenbeschränkung von Mobilfunkanlagen, wie es eine St. Galler Gemeinde vorsah, ist ebenso unzulässig. Das Bundesrecht schränkt den Spielraum von solchen Lösungen deutlich ein:

  • Zunächst braucht es eine gesetzliche Grundlage im kantonalen oder kommunalen Recht. Die Gemeinden können nur Regelungen treffen, wenn sie nach kantonalem Recht in diesem Bereich die Gemeindeautonomie innehaben.
  • Dann muss der Regelung ein ortsplanerisches Interesse zugrunde liegen und kein umweltrechtliches. Der Bund hat den Schutz vor elektromagnetischer Strahlung ab-schliessend geregelt, für die Kantone und Gemeinden bleibt da kein Raum. Häufig sind die Anliegen der Gemeinden jedoch umweltrechtlich motiviert.
  • Zuletzt muss nach dem Fernmeldegesetz eine qualitativ hoch stehende Versorgung mit Mobilfunkdiensten möglich bleiben, und die Einschränkungen müssen verhältnismässig sein. Diese Voraussetzung erweist sich als Knacknuss, weil sich eine (eher starre) Nutzungsplanung nur schwer mit der dynamischen Funknetzplanung har-monisieren lässt. Jedenfalls sind flächenmässig keine allzu grossen Verbotszonen möglich.

Eine rechtmässige und gleichzeitig sinnvolle Planung dürfte somit nicht einfach sein. Zu beachten ist auch die politische Seite: Eine weitgehende Negativplanung auszuarbeiten, mit der alle im Dorf zufrieden sind, ist schwierig. Eine gesetzlich vorgeschriebene Interessenabwägung dürfte eher auf Akzeptanz stossen, jedoch verschieben oder verstärken sich gar die Probleme auf die künftigen Baugesuche. Allenfalls könnte es sinnvoll sein, ganz bestimmte Objekte mit planerischen Mitteln besser zu schützen.

Betreiber zeigen Bereitschaft für eine Kooperation

Angesichts dieser Ausgangslage zeigen die Mobilfunkbetreiber Bereitschaft für einen Dialog und eine Kooperation: Es wurde ein Kooperations-Modell entwickelt. Darin werden Informationsrechte und gewisse Mitwirkungsmöglichkeiten der Gemeinde bei der Standortwahl von Mobilfunkanlagen definiert. Die Mobilfunkbetreiber sind heute interessiert, mit den Kantonen eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Hat der Kanton eine Vereinbarung abgeschlossen, kann eine Gemeinde für sich entscheiden, ob sie vom Kooperations-Modell Gebrauch machen möchte oder ob sie keinen Handlungsbedarf sieht. Seit neuestem können beispielsweise Luzerner Gemeinden dieses Kooperations-Modell implementieren, weil der Kanton Luzern in diesen Tagen mit den Mobilfunkbetreibern eine entsprechende Vereinbarung getroffen hat. Sehr gut denkbar ist, dass weitere Kantone folgen werden. Übrigens: Die (Luzerner) Gemeinde H. prüft nun, ob das Kooperations-Modell eine sinnvolle Möglichkeit darstellt.

Bewilligung von Mobilfunkanlagen

Benjamin Wittwer, 
Bewilligungen von Mobilfunkanlagen, 2. Auflage, Zürich 2008. 
Buch brosch., 214 Seiten, Fr. 64.- 

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